20 Jahre Regionalverband

Diagnose: Autismus Spektrum Störung. Und was jetzt?

Vor einigen Jahren gab es in Aachen und der Umgebung kaum eine Stelle, an die man sich mit Fragen über Autismus hätte wenden können. Erwachsene Autisten und Eltern mit autistischen Kindern, suchten vergeblich nach fachlicher Beratung, Betreuung, Therapie, Aufklärung, Entlastung und Verständnis.

Die Vorstellung, wie ein/e Autist*in auszusehen hat, war bei vielen Menschen nur sehr oberflächlich und oft nur rein theoretisch. Ein/e Autist*in sitzt alleine in der Ecke, verdreht die Augen, rollt ständig eine Glaskugel und kann mit Zahlen wie ein Genie umgehen, war schon oft bei Vielen das ganze Wissen über Autismus. Es hielt sich auch noch lange die „Kanner-Theorie“ über die „Kühlschrank Eltern“ fest. (Herr Kanner führte den Begriff des „frühkindlichen Autismus“ ein). Die Last, die die Eltern autistischer Kinder zu tragen haben, ist sehr groß. Wenn dann den Eltern auch noch die Schuld für das bizarre Verhalten der Kinder gegeben wird, wird es unerträglich. Heute weiß man, dass die Eltern den Autismus ihrer Kinder nicht verhindern können, nicht heilen können und nicht durch eine falsche Erziehung verursacht haben. Es gab schon vereinzelt Therapeut*innen, Ärzt*innen, Lehrer*innen, die interessiert und neugierig waren, die viel Empathie und Einfühlungsvermögen hatten, aber es war vom Zufall abhängig, ob der/die Therapeut*in, der/die Lehrer*in überhaupt bereit war ein autistisches Kind zu betreuen, zu behandeln, zu unterrichten. Viele haben ehrlich zugegeben, dass sie keine Erfahrung haben und den Umgang mit einem Autisten abgelehnt.

Die Eltern der autistischen Kinder aus Aachen und der Umgebung suchten oft Hilfe in Köln, Düsseldorf, Viersen. Dort gab es die Vereine Hilfe für das autistische Kind, die eine allumfassende Betreuung, Therapie, Beratung angeboten haben. Vor allem waren dort die Psycholog*innen und die Therapeut*innen kompetent, gerade mit dem besonderen Verhalten der Autisten umzugehen.

In Aachen sammelten sich langsam einige Eltern autistischer Kinder und erwachsene Autisten, viele auch in der Kinder und Jugendpsychiatrie am Klinikum Aachen, oder aus anderen Vereinen, wo sie aber nur zu einer "Randgruppe" gehörten. Die Eltern trafen sich, tauschten Erfahrungen aus, gaben sich Ratschläge. Zum ersten Mal haben es damals die Eltern erreicht, dass das Schulamt in Aachen die Lehrer*innen zu einem Vortrag über Autismus eingeladen hat. Die wichtige Aufklärung der Öffentlichkeit über das Thema Autismus begann somit auch in Aachen.

Der erste Selbsthilfeverein, der Bundesverband Hilfe für das autistische Kind wurde in Berlin im Jahre 1970 gegründet. Der Begriff Autismus war damals nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in pädagogischen und medizinischen Kreisen noch wenig bekannt. Nach und nach wurden weitere Vereine in vielen Städten der Bundesrepublik gegründet, aber nicht in Aachen.

Doch dann trafen sich endlich auch in Aachen die betroffenen Eltern und mit der Mitwirkung der Ärzte der „Kinder und Jugendpsychiatrie in Aachen“ und des Bundesverbandes Hilfe für das autistische Kind gründeten sie den Verein Hilfe für das autistische Kind in Aachen und Umgebung .e. V.

Es war im Juli 2001, vor genau 20 Jahren: Die Eltern trafen sich regelmäßig, verschiedene Referent*innen wurden eingeladen, um Vorträge zu halten. Es war uns wichtig der Öffentlichkeit, den Pädagog*innen, den Therapeut*innen, den Ärzt*innen das Wesen, das unverständliche Verhalten der Autisten näher zu bringen. Die andere Wahrnehmung, den anderen Blickwinkel des Autisten auf die Welt, um ihn herum versuchen, zu erklären. Und es war uns wichtig Unterstützung zu finden, Verständnis für unsere Kinder und für uns Eltern zu gewinnen. Es war uns wichtig die Forschung und die neuesten Erkenntnisse zu verfolgen, zu erfahren.

Aus dem kleinen Verein, als die Basis für weitere Entwicklung, ist in den 20 Jahren nicht nur ein Autismus Therapie Zentrum entstanden. Zum Standort Aachen eröffneten wir in Düren und dann im letzten Jahr in Kerpen-Horrem weitere Therapie-Zentren.

Nach und nach sind zusätzliche Angebote dazugekommen: so wurde der Fachbereich autdoor – Fachdienst für Menschen mit Autismus – gegründet, der Mitarbeiter*innen in der Schulbegleitung und im Betreuungsdienst stellt. Autdoor bildet zudem regelmäßig in der Heilerziehungspflege aus.

Insgesamt sind rund 90 Mitarbeitende bei uns fest angestellt, 450 Klienten besuchen regelmäßig unsere Therapie-Zentren und 100 Klienten werden in Freizeit und Schule durch autdoor begleitet.

Im Bereich der Selbsthilfe bieten wir verschiedene Gruppen an, wie unseren Freizeit-Treff für Erwachsene Menschen mit ASS, den Partnertreff für Partner von Menschen mit ASS und Elterngruppen in Aachen und Düren.

Im Januar 2021 nahm die Autismus Leben gemeinnützige GmbH ihren Betrieb auf. Wir erweiterten damit unser Leistungsangebot um den Bereich Wohnen und Beschäftigung für Menschen mit Autismus.

Es ist viel passiert seit ein paar Eltern im Juli 2001 den Verein, der heute den Namen Autismus Aachen, Regionalverband Raum Aachen und Umgebung e. V. trägt, gegründet haben.

Unser Verein ist nicht sehr groß, wir zählen ca. 90 Mitglieder, aber dank unserer engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, haben wir erreicht, dass wir heute eine stabile und kompetente Institution für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung und deren Familien geworden sind. Unsere Kinder, unsere Menschen mit ASS sind oft nicht in der Lage mit Worten zu erklären, wie wichtig es für sie ist, zu versuchen ihre Welt zu verstehen, um damit das Zusammenleben mit den Anderen für sie zu erleichtern.

So danken wir jetzt stellvertretend für sie alle, all denen, die an der Entwicklung und an der Arbeit in den letzten 20 Jahren für den Regionalverband Autismus Aachen mitgewirkt haben!

Dr. Silvia Neugröschel im Namen des Vorstandes